von Constanze Emde (Kommentare: 0) Die unsichtbaren Künstler mit den langen Pinseln – Backstage bei den Bühnenbildmalerinnen
Konzentriert wechselt ihr Blick zwischen der Skizze in ihrer Hand und den Spanplatten vor ihren Füßen. Elegant zeichnet sie mit dem an einem langen Stil befestigten Pinsel Umrisse einer Eule. Körper, Flügel, Kopf. „Ich muss schauen, dass die Proportionen gut passen“, sagt Sandra Benning. Sie ist eine von drei Bühnenmalerinnen bei den Eutiner Festspielen in diesem Sommer und hat fürs Musical unter anderem den viel bestaunten, so plastisch wirkenden Engel auf dem „Angel of Water“-Brunnen gemalt. Für die Zauberflöte skizzierte sie unter anderem die Eule.
Es macht unglaublich viel Spaß, hier zu arbeiten und so kreativ zu sein“, sagt die 27-Jährige. Ihre Chefin, Luna Warnke, begann bereits um Ostern mit den ersten Arbeiten fürs Bühnenbild. „Es ist ein wunderschöner Arbeitsort hier im Grünen. Die große Herausforderung aber ist, ein Bühnenbild für so eine große Bühne in einer verhältnismäßig kleinen Werkstatt zu gestalten“, sagt die 25-Jährige. Ihr Arbeitsort ist die alte Remise, eines der beiden sanierten Gebäude am Bauhof-Areal unweit der Opernscheune in Eutin. Wann immer es das Wetter zulässt, wird draußen gemalt oder zumindest die großen Bühnenteile zum Trocknen hingelegt. Was fertig aus der Werkstatt des Bühnenbaus kommt und bemalt ist, wird direkt hinunter zur Seebühne transportiert und verbaut. „Wie das Gesamtwerk wirkt, sehen wir oft erst kurz vor der Premiere, denn wir arbeiten bei zwei so großen Produktionen bis kurz vor Schluss“, erklärt Luna Warnke.
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Während Sandra Benning vorn die Eule skizziert, zeichnet Luna Warnke im Hintergrund die Tore zum Säuleneingang von Sarastros Tempel. -
Licht uns Schatten erzielen bei Bühnenbildern die größte Wirkung. -
Sandra Benning hat die Skizze der Eule vor sich und auf ihrem Smartphone Fotos echter Eulen, um möglichst realistisch den Jäger der Lüfte abzubilden. -
Friederike von Hammerstein-Gezeck zeichnet Felsen und Steine - diese hier sollen möglichst plastisch den Podest zum Höhleneingang zieren. -
Das Team der Bühnenmalerei: Luna Warnke, Sandra Benning und Friedericke von Hammerstein-Gezeck arbeiteten seit dem Frühjahr am Bühnenbild für die Zauberflöte und auch West Side Story (entworfen von Jörg Brombacher). -
Die Sternzeichen auf dem mehr als zehn Meter hohen Halbkreis sind der wohl größte Teil eines bislang auf Eutins Bühne gezeigtem Bühnenbild. Wie fein Luna Warnke daran gearbeitet hat, zeigen Nahaufnahmen wie diese. -
Die Sternzeichen auf dem mehr als zehn Meter hohen Halbkreis sind der wohl größte Teil eines bislang auf Eutins Bühne gezeigtem Bühnenbild. Wie fein Luna Warnke daran gearbeitet hat, zeigen Nahaufnahmen wie diese. -
Nicht alles lässt sich in der Werkstatt zeichnen: Luna Warnke bessert nach der Montage des gut neun Meter großen Labyrinths die Linien aus und malt die Anschlüsse. -
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Nach dem Malen kommt das Sprenkeln für den besonders "echten" Effekt.
Neben der Remise haben die Bühnenmalerinnen auch in der temporären „Zeltstadt“ im Eutiner Schlossgarten eine überdachte Bleibe – Backstage der Festspielbühne. Graffiti für die beiden verfeindeten Gangs – den Jets und Sharks – im West Side Musical sprayte Luna Warnke beispielsweise unmittelbar vor Ort. „Das mitzuentwickeln war unglaublich cool und hat großen Spaß gemacht“, sagt Luna Warnke. Doch zuvor stand das Zeichnen von zigtausend Steinen auf den Treppen an. „Das haben wir direkt unten auf der Bühne gemacht, um immer wieder schauen zu können, wie es insgesamt wirkt und beide Treppen zusammenpassen.“
Zum „wir“ gehört neben Luna Warnke und Sandra Benning auch Friederike von Hammerstein-Gezeck, zuvor erste Theatermalerin im Opernhaus Kiel. Sie ist seit 44 Jahren im Beruf und weiß genau, was Warnke und Benning meinen, wenn sie von ihrer Freude und kreativen Herausforderung sprechen, die sie für dieses Gewerk begeistert. „Vieles hat sich binnen der vergangenen Jahrzehnte geändert, aber der Spaß am Job bleibt“, sagt Friederike von Hammerstein-Gezeck. Früher seien beispielsweise Farben aus Pigmenten angemischt worden, was es heute fertig zu kaufen gebe. Auch werde heutzutage massiver gebaut und vielmehr werden anstelle der Malerei häufig Drucke oder Projektionen verwende – nicht so aber bei den Eutiner Festspielen, was die Bühnenmalerinnen sehr freut. „Für die Zauberflöte und die West Side zeichnen zu können, ist eine wirklich schöne Aufgabe“, sagt sie, während sie Wurzeln am Felsen des Höhleneingangs zeichnet.
Was waren die großen Herausforderungen in diesem Jahr auf Eutins Festspielbühne? „Abgesehen von den großen Bühnenbildern im Vergleich zur kleinen Werkstatt? Den tanzbaren Boden der Bühne aus Siebdruckplatten zu bemalen, war herausfordernd. Eigentlich hält darauf nämlich nichts“, sagen die drei Bühnenmalerinnen unisono. Für die Zauberflöte bestand die Herausforderung darin, das Labyrinth als schräge Spielfläche auch mit einer Antirutsch-Beschichtung zu versehen. „Und natürlich das Steine-Malen im Akkord – ob auf Treppenstufen oder für Felswände und Höhleneingänge.“ Was alle eint, ist die Liebe zum kreativen Beruf. In deutschen Theatern haben sie ihre Ausbildung gemacht und dann in ganz unterschiedlichen Genres gearbeitet – neben festen Häusern auch für Kinofilme und Fernsehen.
Was die wenigsten Premierengäste wissen: Unter ihnen sitzen Vertreter aller Gewerke und sie applaudieren, freut das nicht nur die Künstler auf der Bühne und das Kreativteam, sondern von Bühnenbauer über Bühnenmaler, Kostüm-Abteilung, Schneiderei und Maske – einfach alle, die jedes Jahr die Grundlage für eine erfolgreiche Spielzeit der Eutiner Festspiele legen. Die drei Damen aus der Remise freuen sich, dass Sie im nächsten Jahr wiederkommen für die Bühnenbilder von Hair und Turandot.